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Und sie leben eben doch ...

Viele Dinosaurier konnten fliegen wie ihre Nachkommen, die Vögel. Und alle hatten Federn

Ein Archaeopteryx auf der Jagd (Illustration: D. Eskridge/Stocktrek Images/Getty)

Ein Archaeopteryx auf der Jagd (Illustration: D. Eskridge/Stocktrek Images/Getty)

Muskelbepackte Körper, furchterregende Gebisse, riesige Krallen und nackte Haut – dieses angsteinflössende Bild von fleischfressenden Dinosauriern wie dem Tyrannosaurus rex oder dem Velociraptor hat uns Steven Spielberg vor gut 20 Jahren mit seinen «Jurassic Park»-Filmen wie kein anderer eingeprägt. Vieles davon mag stimmen, doch in einem Punkt irrte Spielberg: Nackte Haut war in der Trias-, Jura- und Kreidezeit, als die Dinosaurier die Erde beherrschten, kaum zu sehen. «Vermutlich hatten alle Dinosaurier eine Art Federn», sagt der Paläontologe und Dinosaurierexperte Stephen Brusatte von der University of Edinburgh.

Einen Vorwurf kann man Spielberg wegen der unzulänglichen Darstellung der Dinosaurier indes nicht machen. 1993, als der erste «Jurassic Park»-Film ins Kino kam, waren Federn in der Dinoforschung noch kein Thema. Erst 1996 entdeckten chinesische Paläontologen im Nordosten des Landes erstmals Überreste eines Dinosauriers mit Federn. «Sinosauropteryx» nannten sie den Sensationsfund, der die ganze Paläontologenzunft durchschüttelte. Seither fanden die Forscher mindestens 40 weitere Dinosaurierarten, die einst ein Federkleid trugen, darunter auch ein naher Verwandter des T. rex und diverse vogelähnliche Dinosaurier, die möglicherweise sogar fliegen konnten.

Die meisten Nachweise dafür, dass Dinos ein Federkleid trugen, gibt es bei den zweibeinigen räuberischen Theropoden, ­einer Gruppe der sogenannten Echsen­beckensaurier (siehe Grafik), zu denen T. rex ebenso gehört wie alle Vorfahren der heutigen Vögel. Doch sogar bei den weit entfernt verwandten Vogelbecken­sauriern gab es anscheinend Arten, die ihren Körper mit ­einem primitiven Flaum zierten, etwa der Pflanzenfresser Kulindadromeus. Da somit ­Federn in allen Ästen des Dinosaurier-Stammbaums auftauchen, gehen Forscher heute davon aus, dass schon der gemeinsame Vorfahre aller Dinosaurier eine Art Urfedern hatte (siehe Grafik links). Das Gefieder wurde also vor über 225 Millionen Jahre erfunden.

Zum Fliegen, das steht fest, dienten die Protofedern am Anfang nicht. «Vermutlich hielten Federn die damaligen Dinosaurier warm», sagt Brusatte. Es könne allerdings auch sein, dass die Dinos diese für Balz­rituale nutzten oder um Rivalen zu verscheuchen. «Erst viel später erwiesen sie sich nützlich fürs Fliegen.»

Ein Anchiornis wäre kaum von einem heutigen Vogel zu unterscheiden

Viel später, das war vor gut 160 Millionen Jahren, gegen Ende des Jura-Zeitalters. Damals begann eine Gruppe «geschrumpfter» Dinosaurier sich rasant zu verbreiten, die sogenannten Paraves, oft nicht grösser als heutige Tauben oder Raben, mit Flügeln und teils langen Schwanzfedern (Konturfedern, siehe Grafik). Ob sie tatsächlich schon fliegen konnten, darüber debattieren Experten aber noch immer. «Vermutlich konnten sie zumindest gleiten oder mit den Flügeln flattern und hüpfen», sagt Brusatte.

Die meisten vogelähnlichen Dinosaurier entdeckte man bislang im heutigen China. Den pfaugrossen Aurornis etwa, den kleineren Anchiornis mit seinen schwarz-weiss gestreiften Flügeln und dem roten Kamm (dies legen ­Funde von Pigmentkörperchen nahe) oder den ebenfalls nur rabengrossen Xiaotingia. Sie alle lebten vor rund 160 Millionen Jahren, also etwa zehn Millionen ­Jahre vor dem als Urvogel geltenden, in Deutschland entdeckten «Archaeopteryx».

Jüngster Fossilienfund eines Archaeopteryx mit perfekt erhaltenen Federabdrücken. Quelle: Nature

Jüngster Fossilienfund eines Archaeopteryx mit perfekt erhaltenen Federabdrücken. Quelle: Nature

Die Frage, welcher der vogelähnlichen ­Dinosaurier letztlich am Ursprung der Evolution der Vögel stand, ist aus heutiger Sicht kaum zu beantworten. Sie würden sich alle sehr stark ähneln und sich nur in winzigen Details unterscheiden, sagt Brusatte. «Würden Sie heute einem Anchi­ornis begegnen, würden Sie ihn vermutlich für einen Vogel halten.» Der Stammbaum sei daher keineswegs in Stein gemeisselt. «Um ehrlich zu sein, ist die Unterscheidung eher ­willkürlich.»

Vor wenigen Jahren wackelte sogar die Position von «Archaeop­teryx» im Stammbaum. Der 1861 im bayrischen Solnhofen entdeckte Urvogel schien 2011 seinen Platz an Xiaotingia abgeben zu müssen. «Eine Ikone fällt vom Sockel» oder «Archaeopteryx kein Vogel» lauteten damals die Schlagzeilen. Eine detaillierte Analyse unzähliger Funde vogel­ähnlicher Dinosaurier hat den Fossilienstar nun aber rehabilitiert. Wie Stephen Brusatte und Kollegen kürzlich im Fachblatt «Current Biology» berichteten, sitzt Archaeopteryx vermutlich doch an der Basis des Vogel-Astes.

Gemeinsamkeiten sind das Gabelbein und die Luftsäcke zur Atemregulation

Mittlerweile kennen Paläontologen so viele verschiedene vogelähnliche Dinosaurierspezies, dass im Stammbaum ein regelrechtes Gedränge herrscht. «Anatomisch betrachtet bilden Vögel ein Kontinuum von Millionen von Jahren in der Theropoden-Evolution», schreiben Brusatte und Co. Der Übergang von Dinosauriern zu Vögeln sei mittlerweile so gut dokumentiert, dass er laut Brusatte als «eines der besten Beispiele für die Evolution gilt».

Streng genommen, sind die Dinosaurier also keineswegs ausgestorben, sondern sie leben als Vögel bis heute weiter. Dies belegen neben den Federn weitere Gemeinsamkeiten. So besitzen von den heute lebenden Wirbeltieren nur Vögel ein gabelförmiges Schlüsselbein, ein «Gabelbein» – wie einst die Dinosaurier. Das Gleiche gilt für die Luftsäcke, die der Atemregulation und der Stimmbildung dienen.

Neben dem Stammbaumast, der zu den heutigen Vögeln führte, entwickelten sich auf parallelen Ästen aber noch lange Zeit vogelähnliche Dinosaurier weiter. Microraptor zum Beispiel war ein kleiner vogelähnlicher Dinosaurier mit sehr langem Schwanz, der vor etwa 130 Millionen Jahren auf vier Flügeln durch die Lüfte segelte. Auch der aus «Jurassic Park» bestens bekannte Velociraptor jagte nicht (nur) zu Fuss, sondern nutzte vermutlich auch den Luftraum. Zudem war er kein monsterartiger Zwei-Meter-Hüne, wie im Film dargestellt, sondern ein albatrosgrosser gefiederter Dino.

Insofern liegt der Film zumindest in ­einem Punkt fast richtig. Der vom Park­eigentümer John Hammond angeheuerte Paläontologe Alan Grant war nämlich ein Verfechter der Idee, dass Vögel von den Velociraptoren abstammen. Heute weiss man, dass Velociraptor und Urvogel beide zur Gruppe der Paraves gehören.

Grant war von seiner Idee so überzeugt, dass er in jener Szene, als er sich zusammen mit Lex und Tim, den beiden Enkeln von Hammond, vor einer Herde galoppierender Galliminus-Dinos in Sicherheit bringen musste (siehe Bild), zu den Kindern sagte: «Sie bewegen sich wie ein Vogelschwarm, der sich einem Fressfeind entziehen will.» Das gelingt nicht ganz. Ein Galliminus – ebenfalls ein Theropode – fällt direkt vor den Augen von Grant und den Kindern einem T. rex zum Opfer. Im richtigen Leben wäre er dem Räuber vielleicht davongeflattert.

Gefiederte Dinosaurier im ganzen StammbaumEs war eine Sensation, als chinesische Forscher 1996 in der Provinz Liaoning den ersten gefiederten Dinosaurier entdeckten – Sinosauropteryx. Seither haben Paläontologen Dutzende weiterer Dinosaurier arten m…

Gefiederte Dinosaurier im ganzen Stammbaum

Es war eine Sensation, als chinesische Forscher 1996 in der Provinz Liaoning den ersten gefiederten Dinosaurier entdeckten – Sinosauropteryx. Seither haben Paläontologen Dutzende weiterer Dinosaurier arten mit Federn gefunden, vor allem fleischfressende Theropoden und da besonders viele vogelähnliche Paraves. Einen überraschenden Fund vermeldeten belgische Forscher diesen Sommer: Sie hatten einen gefiederten Vogelbeckensaurier entdeckt, Kulindadromeus. Damit tauchen in allen Hauptästen des Dinosaurier- Stammbaums gefiederte Exemplare auf. Was bedeutet: Schon der gemeinsame Vorfahre aller Dinosaurier hatte vermutlich Federn.